1. Februar 2021

7 Antiregeln für gute Gestaltung

Karin Reichl über maximale Wirkung in der Gestaltung von Gesundheitskommunikation.
Es gibt Regeln guter Gestaltung. Jeder Kreative lernt sie im ersten Semester. Alle, die sich mit Kreation beschäftigen, haben irgendwann davon gehört. Auch wir plädieren dafür, sie zu kennen – und zu ignorieren. Denn in der Gesundheitskommunikation geht es um maximale Wirkung, und die erreichen wir nur, wenn wir neu, mutig und ohne Regeln denken.

von Karin Reichl

 

01 Je größer die Elemente (Logo, Störer, Text), desto schneller
werden sie wahrgenommen.

Nein. Wenn zu viele Objekte prominent gezeigt werden, weiß der Betrachter nicht mehr, wohin er schauen soll. Frei- und Weißraum lassen einzelne Elemente wirken.

02 Es braucht Bilder von glücklichen Menschen, damit man sich identifizieren kann.

Nein. Die glücklichen Patienten am Strand, im Park oder auf Segelbooten sollen ja den „Nachher“-Effekt zeigen oder wie unbeschwert Patienten durch die Therapie sind. Tatsächlich sind diese Bilder austauschbar. Sie könnten genauso gut für eine Versicherung oder einen Finanzdienstleister werben. Sie sind tausendfach gesehen, abgenutzt und dadurch unrealistisch. Gestaltung, die etwas bewirken soll, zeichnet sich durch das Ungesehene und ästhetische Anmut aus – und entwickelt so hohe Stopping Power.

03 Werden Menschen abgebildet, müssen sie in die Kamera schauen, damit sich der Betrachter angesprochen fühlt.

Manchmal. In einigen Fällen kann ein durchdringender Blick die Botschaft unterstreichen. Ein Kamerablick lässt Szenen aus dem Leben jedoch oft unnatürlich wirken und zerstört die Illusion des Moments. Porträts, in
denen der Blick natürlich in den Raum oder an der Kamera vorbei gerichtet ist, wirken situativer, natürlicher und sympathischer. Diese Nahbarkeit macht es, dass sich der Betrachter sogar noch besser mit dem Bild identifizieren kann.

04 Layouts sollten in einer Farbwelt gehalten werden, Komplementärkontraste vermeiden.

Manchmal. Je nach Produkt kann eine reduzierte Bildwelt gewünscht sein. Allerdings verursachen Komplementärkontraste Irritation. Und genau diese Irritation bewirkt, dass wir uns mit Dingen beschäftigen. Unser Gehirn möchte Aufgaben lösen, Kontraste können sie erschaffen. Zusätzlich kreieren Komplementärkontraste einen eigenständigen Look mit hohem Wiedererkennungswert.

05 Typografielösungen sind unemotional.

Nein. Typografielösungen beziehungsweise Worte können durch ihre individuelle Assoziation und über Plakativität starke Emotionalität auslösen. Es gibt den Spruch: pictures travel, words don’t. Aber hier ein Gegenbeispiel: Was löst das Wort GIER bei Ihnen aus? Tausend Bilder, unzählige Geschichten. Kann das nur ein Bild bewirken? Typografie kann beim Betrachter Geschichten genauso im Kopf entstehen lassen wie ein Bild.

06 Altbewährtes funktioniert aus einem guten Grund.

Nein. Um Aufmerksamkeit zu generieren, ins Bewusstsein des Betrachters so weit vorzudringen, dass sich Dinge ändern – und genau das wollen wir in der Healthcare: Verhalten ändern –, muss man Konventionen brechen. Menschen lieben es, herausgefordert zu werden. 

07 Es gibt Gestaltungsregeln, die man befolgen muss.

Die Antithese schlechthin: Regeln müssen gebrochen werden, wenn dadurch Wirkung erzielt werden kann. Im Kanon hübscher Gestaltung gewinnt nicht die Schönste, sondern diejenige mit dem größten Effekt. Wir erfinden Kreation, um bei Menschen etwas auszulösen. Dafür dürfen wir Regeln ignorieren.

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