25. September 2019

Ihr den Mut, wir die Freiheit

Sina Wellschmiedt: Wie Unternehmen lebenslanges und selbstbestimmtes Lernen fördern können.
Wie kriege ich Mitarbeitende dazu, dass sie das lernen, was sie in ihrer Rolle brauchen und was dem Unternehmen nützt? Für uns in der Hirschen Group sind Freiheit und Vertrauen zentrale Werte unseres Selbstverständnisses. Deshalb setzen wir auch beim Thema Weiterbildung auf das Motto #LerndochwasDuwillst!

von Sina Wellschmiedt

 

Eine Ärztin erzählte mir kürzlich von ihrem jüngsten Aha-Moment. Kurz vor der Rente hatte sie einen besonders schwierigen Diagnostikfall vor sich. Zunächst hat sie den Weg eingeschlagen, den sie immer nimmt, den gelernten. „Dann ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen“, erklärte sie. Indem sie zwei verschiedene Diagnosen übereinanderlegte, konnte sie etwas erkennen, was sie vorher nie gesehen hatte. Ihre Erkenntnis: „Man lernt nie aus“.

Keine Frage: Lebenslanges Lernen ist heute unverzichtbar – sowohl für jeden Einzelnen als auch für Unternehmen. Aber wer soll wann was lernen? Deutschland ist noch immer ein Land der Zertifikate. Hauptsache irgendwo ist ein Stempel drunter, der ein bestimmtes Fachwissen attestiert. Angesichts der Herausforderungen einer sich rasant entwickelnden Welt ist das wenig praxistauglich.

Das Beispiel der Ärztin hat nichts mit geplanter und formalisierter Weiterbildung zu tun. Sie hat nichts gelernt, weil ihre Vorgesetzen es gefordert haben oder weil es dafür ein Zertifikat gibt. Ihr Lernen war intrinsisch motiviert, angetrieben durch die aktuelle Notwendigkeit ihres Berufes. Sie hat das gelernt, was sie in dem Moment brauchte, um erfolgreich zu sein, ein Problem zu lösen. Und das ist mutig.

Loslassen ist angesagt

Wie bringe ich meine Mitarbeitenden dazu, sich auf diese Weise weiterzuentwickeln? Gar nicht. Sie bringen sich selbst dazu. Diese Art des Lernens erfordert ein ordentliches Maß an Freiheit und Vertrauen im Verhältnis zwischen allen Beteiligten.

In vielen Organisationen herrscht aber weiterhin Kontrolle vor. Das führt zu absurden Situationen. Wir schicken unsere Recruiter auf die Jagd nach den Toptalenten:  eierlegende Wollmilchsau, Typ Mensch mit Studium und jeder Menge Berufserfahrung, eloquent mit den Kunden, kann verkaufen, organisieren, Mitarbeiter führen und ist auch noch kreativ. Und wenn wir diese unmenschlichen Menschen gefunden haben, behandeln wir sie wie die Lemminge. Wir schreiben ihnen vor, was sie wie zu tun haben, wann sie wo zu sein haben und was sie nicht tun sollen. Wir behandeln sie erstmal so, als würden sie grundsätzlich nicht im Sinne des Unternehmens handeln. Wir nehmen sie nicht ernst. Gerade in unserem Bereich der Wissensarbeit ist das fatal.

In Zeiten von New Work sollten diese Werte Standard sein: Freiheit, Vertrauen in eigenständig denkende Mitarbeiter, Agilität und Kreativität. Als unsere Agenturgruppe vor 25 Jahren auf dieser Basis gestartet ist, galt das noch eher als durchgeknallt, nicht so professionell. Heute macht es uns diese DNA auch mit 800 Mitarbeitern in der Hirschen Group etwas einfacher, loszulassen: Wir glauben, dass nur wer sich frei und kreativ entfalten kann, erfolgreich ist. Wir glauben, dass Erfolg und profitable Unternehmen Spaß machen. Und wiederum die Möglichkeit geben, sich frei und kreativ zu entfalten.

Wenn wir im ersten Schritt überzeugt sind, dass wir mündige Erwachsene eingestellt haben, können wir im zweiten Schritt loslassen, ihnen maximales Vertrauen entgegenbringen, damit sie frei agieren können und das Beste für sich und das Unternehmen herausholen. Wenn das nicht funktioniert, haben wir ein ganz anderes Problem.

Diesen eigenverantwortlichen Menschen trauen wir zu, dass sie wissen, wie sie sich beruflich weiterentwickeln wollen und müssen, um ihren Job gut und die Kunden zufrieden zu machen. Mit Sicherheit wissen wir es nicht besser als sie! Vom Grundsatz her will jeder Mensch lernen und sich weiterentwickeln, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb ist der Bereich Weiterbildung ein gutes Feld, um als Unternehmen das Loslassen zu lernen.

Pipette statt Gießkanne

Natürlich können zentrale Weiterbildungsangebote nach wie vor den geeigneten Rahmen dafür bieten. Bei der Hirschen Group haben wir das eigenverantwortliche Lernen unserer Mitarbeitenden in der BRAVE ACADEMY gebündelt. Diese hat weder Jahresplan noch festgelegtes Budget. Nicht der Vorgesetzte bestimmt, wer wann welches Training besuchen soll. Die Kollegen entscheiden selbst. Sie schlagen Themen vor, die ihnen wichtig sind – angetrieben durch das Tagesgeschäft und ihr Gespür für den zukünftigen Bedarf. Unsere People & Organization-Consultants helfen ihnen dabei. Als Unternehmen stellen wir die nötige Infrastruktur. Heraus kommen maßgeschneiderte Weiterbildungen. Nach dem Motto #Lerndochwasduwillst werden die Menschen so genau das, was sie sein wollen. Sie werden ihr bestes Selbst. Ein ökonomischer Nebeneffekt: Das Weiterbildungsbudget wird dort eingesetzt, wo es den größten Effekt hat.

Ein solches, auf selbstbestimmtem und selbstverantwortlichem Lernen bestehendes, System implementiert sich nicht über Nacht. Das Loslassen der Führungskräfte, bzw. ihre veränderte Rolle als Coach, braucht Mitarbeitende, die die Verantwortung annehmen – wie so oft ein Geben und Nehmen. Für uns in der Hirschen Group gilt: Ihr den Mut, wir die Freiheit.

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