20. November 2020

Mental Health trotz Social Distancing: Corona-Resilienzkräfte der Mitarbeitenden stärken

Was können Unternehmen und speziell Führungskräfte jetzt für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden tun?
Die Corona-Situation ist für alle herausfordernd. Deshalb sollten Organisationen und Führungskräfte jetzt ganz besonders auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden achten. In der Hirschen Group helfen uns dabei Angebote auf verschiedenen Ebenen, die ich hier teilen möchte.

von Kathrin Grünwald

Bereits vor der Corona-Krise haben psychische Erkrankungen als Grund für Krankschreibungen stark zugenommen. Lag der Anteil 2011 laut Techniker Krankenkasse noch bei ungefähr 13 Prozent, stieg er bis 2019 auf 19 Prozent. Das ist der höchste Wert im Vergleich zu anderen Diagnosen – noch vor Rückenbeschwerden und Erkältungskrankheiten.
Krankmeldungen aufgrund von psychischen Erkrankungen sind für den Arbeitgebenden besonders kostenintensiv, da Mitarbeitende mit psychischen Diagnosen häufig mehrere Wochen krankgeschrieben werden und damit deutlich länger als bei anderen Erkrankungen ausfallen.

Erste internationale Erhebungen während der Corona-Krise deuten bereits auf einen deutlichen Anstieg der Krankmeldungen aufgrund psychischer Probleme hin. Die Sorgentelefone des Landes verzeichnen einen Anstieg der Anrufe um etwa 30 Prozent und auch der Alkohol- und Zigarettenkonsum ist in der Pandemie deutlich gestiegen.

Manche Menschen empfinden den Lockdown und Social Distancing zwar als entschleunigend und insgesamt positiv. Für die meisten Menschen sind durch Corona aber vielfältige Belastungen neu hinzugekommen: Homeoffice, dabei vielleicht noch nebenbei die Kinder betreuen oder sich um Angehörige sorgen, die zur Risikogruppe zählen? Soziale Isolation, die sich in den Wintermonaten noch einsamer anfühlt? Trauer, finanzielle Sorgen? Die Pandemie belastet uns alle unterschiedlich – auch psychisch.

 

Faktor Arbeit in der mentalen Gesundheit

Grundsätzlich kann Arbeit einen sehr positiven Effekt auf die Psyche haben, sie kann aber auch belasten. Überwiegen die belastenden Faktoren über einen längeren Zeitraum oder kommen weitere belastende Faktoren aus dem Umfeld hinzu, können Stress und Sorgen, abhängig von der eigenen Konstitution, zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder auch zu Suchtverhalten führen.

Die bewährten Stressbewältigungsmechanismen vor Corona funktionieren aktuell nur eingeschränkt oder gar nicht. Sorgen und Stress stehen einem Mangel an Ausgleich, zum Beispiel durch Hobbys oder Urlaube, gegenüber. In den kommenden Monaten gibt es keine Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern oder Karneval, die uns die dunkle Jahreszeit versüßen könnten. Menschen, die ohnehin zu Winterblues neigen, sind dadurch nochmal mehr betroffen.

Gleichzeitig nimmt die Projektdichte und damit die Arbeitsbelastung zum Jahresende bei vielen zu. Zumindest in unserer Branche ist das so. Diese Entwicklungen beobachten wir bezogen auf unsere Mitarbeitenden wachsam.

Was können wir als Unternehmen, als Führungskräfte und auch als Kolleg:innen auch über die Distanz durch Remote Work tun, um gemeinsam gesund zu bleiben beziehungsweise schnell wieder gesund zu werden?

 

Rahmenbedingungen schaffen

Über die Basisanforderungen des Arbeitsschutzes mit Hygiene- und Abstandregeln hinaus, stehen für uns auf Organisationsebene folgende Aspekte im Fokus:

  • Prävention: Arbeitgebende müssen sich ihrer Fürsorgepflicht bewusst sein. Dazu zählt auch die Vorbeugung vor zu starker Belastung. Was bedeutet das? Eine Arbeitsumgebung schaffen, die die psychische Belastung am Arbeitsplatz möglichst gering hält. Das beinhaltet eine gute Arbeitszeitgestaltung, das Einhalten von Pausen, das Wohlbefinden am Arbeitsplatz, wertschätzende Kommunikation, Anerkennung und Feedback.
  • Employee Engagement Tool: Um auch in Zeiten von Mobile Office und über verschiedene Standorte hinweg das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden im Blick zu haben, arbeiten wir seit einigen Monaten mit regelmäßigen Pulse-Checks. Durch monatliche Abfragen zu Workload, Wohlbefinden, Arbeitsschutz und weiteren Aspekten haben wir ein aktuelles Stimmungsbild und können z. B. neue Herausforderungen aufgrund der aktuellen Situation kurzfristig angehen.
  • Schulungen und Gesundheitsprogramme virtuell umsetzen: Der gemeinsame Sport in der Mittagspause entfällt gerade, aber viele Angebote zu Themen wie Stressmanagement, Resilienz und Achtsamkeit oder auch das morgendliche Pilatestraining im Büro lassen sich auch digital umsetzen. In unserem nächsten BRAVE ACADEMY Camp wird es gleich mehrere Angebote zum Thema geben.
  • Employee Assistance Program: Über ein Angebot zur externen Mitarbeitendenberatung können unsere Kolleg:innen sich mit gesundheitlichen, beruflichen oder persönlichen Fragen an Expert:innen wenden. Dieses Angebot beinhaltet zum Beispiel auch eine 24/7-Hotline mit einer psychologischen Erstberatung. Hinzu kommen weitere Beratungsangebote, Webinare und entlastende Unterstützungsangebote aus den Bereichen Kindererziehung und -betreuung, Pflege von Angehörigen – ebenfalls Themenbereiche, die eine hohe psychische Belastung mit sich bringen können. Wichtig dabei: Die Mitarbeitenden können diese Angebote anonym nutzen, also ohne, dass wir als Arbeitgebende wissen, von wem sie in Anspruch genommen werden. Wir wissen aber von unserem Kooperationspartner, dass die Anfragen seit dem erneuten Lockdown gestiegen sind.

Alle Informationen zu den Selbsthilfeangeboten müssen den Mitarbeitenden einfach zugänglich zur Verfügung stehen. Zum Beispiel im Intranet. Und: immer wieder daran erinnern, dass es diese Angebote gibt.

 

Führungskräfte als Role Models

Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden hängt maßgeblich auch von den jeweiligen Führungskräften ab. Sie sollten vor allem folgende Dinge sicherstellen:

  • Vorbild sein: Führungskräfte sind Role Models. Deshalb ist es wichtig, dass sie den achtsamen Umgang mit der eigenen Gesundheit vorleben. Das heißt: selbst Pausenzeiten einhalten, empathisch sein, von eigenen Bewältigungsstrategien berichten. Am Ende sitzen wir alle im gleichen Boot und stehen vor ähnlichen Herausforderungen angesichts der Pandemie.
  • Sensibilisieren und Enttabuisieren: Mitarbeitende sollten sich trauen, über ihre Erschöpfung oder Stress zu sprechen – und sagen, wenn sie eine Pause benötigen. Das darf nicht als mangelndes Engagement oder Schwäche interpretiert werden. Andernfalls würden Mitarbeitende ihre Erschöpfung eher verschleppen. Dadurch könnten sie am Ende deutlich länger ausfallen, als wenn man die Herausforderung frühzeitig gemeinsam angesprochen hätte.
  • Flexibilität und Entgegenkommen zeigen: Tagsüber Kinder betreuen, abends ein paar Stunden in Ruhe arbeiten? Um Beruf und Privatleben bestmöglich vereinbaren zu können, sollten Führungskräfte so flexibel wie möglich reagieren, um ihre Mitarbeitenden in schwierigen Situationen zu entlasten.
  • Gemeinschaftsgefühl und Kommunikation aufrechterhalten: Beides ist wichtig für die psychische Gesundheit. Auch im virtuellen Raum lässt sich der Zusammenhalt im Team durch gemeinsame Kaffeepausen, Chatroulette oder virtuelle Spiele wie Escape Games fördern. Je nachdem, was zum Team und der jeweiligen Unternehmenskultur passt. Auf analogem Weg helfen Care-Pakete, ein wenig Unternehmenskultur an den heimischen Arbeitsplatz zu bringen. Klingt banal, sollte aber nicht unterschätzt werden.
  • Hinsehen und Hinhören: Wenn Führungskräfte oder Kolleg:innen eine Veränderung bei einem Teammitglied feststellen, jemand sich zum Beispiel abkapselt, zerfahren und unkonzentriert ist, seine Arbeitsabläufe häufig unterbricht, traurig, unsicher oder antriebslos wirkt, sollte das Vier-Augen-Gespräch gesucht werden. Je früher man Themen anspricht, desto leichter ist es, mit professioneller Hilfe gegenzusteuern. Auch wenn der oder die Betroffene selbst erstmal abwehrt oder (noch) nicht bereit ist, Hilfe anzunehmen, ist dies ein wichtiger Schritt. Denn vielleicht lässt sich direkt ein Weg finden, wie die Arbeitsbelastung reduziert werden kann, indem etwa Aufgaben im Team umverteilt werden oder man kurzfristig Urlaub nimmt. Wenn sich das Verhalten der/des Mitarbeitenden nicht ändert, sollte man als Führungskraft das Gespräch in regelmäßigen Abständen wiederholen. Und dabei immer Geduld und Empathie für die individuelle Situation mitbringen und Flexibilität zeigen. Für das Arbeiten im Mobile Office bedeutet es, dass Führungskräfte noch genauer hinsehen sollten. Sie können z. B. auch eine Frage zum aktuellen Stresslevel als Check-in-Frage von Teammeetings integrieren.

Teamwork und Selbstfürsorge

Niemand muss sich alleine durch schwierige Zeiten kämpfen. Im Team finden sich oft gemeinsame Lösungen für Herausforderungen. Mitarbeitende sollten sich einbringen, Ideen vorschlagen, sich umeinander kümmern und sich solidarisch zeigen, wenn ein Teammitglied besonders belastet ist.

Darüber hinaus hilft es, wenn sich alle individuell ihre Routinen für Achtsamkeit, Tagesstrukturen und Ausgleich schaffen. Ob durch Sport, Meditation oder Spaziergänge an der frischen Luft gegen den Corona-Winterblues. Und: sich auch im Mobile Office den Arbeitsplatz schön machen. Mit viel Licht, vielleicht ein wenig Grün und was man sonst noch braucht, um sich wohlzufühlen. Tipps und Anregungen finden unsere Mitarbeitenden ebenfalls im Intranet.

Wenn wir also alle gegenseitig aufeinander aufpassen, sowohl durch richtige Rahmenbedingungen als auch ganz persönlich, dann sollten wir es gut durch diesen tristen Corona-Winter schaffen.

Wie geht ihr mit dem Thema Mitarbeitendengesundheit (im Remote Working) um? Mit welchen Maßnahmen macht ihr in eurer Arbeit aktuell gute Erfahrungen? Ich freue mich auf Austausch in den Kommentaren.

 

Kathrin Grünwald arbeitet im People & Organization-Team der Hirschen Group als Head of People Development. Zu ihrem Themenschwerpunkt Personal- und Organisationsentwicklung zählen auch die Bereiche Engagement, Wellbeing und Diversity.

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